High Voltage
So wie 1975 AC/DCs erstes Studiolbum ,,High Voltage“ die Musikwelt aufrüttelte, könnte 2019 das neue Elektromotorrad Zero SR/F die Zweirad-Mobilität nachhaltig elektrisieren. 190 Nanometer Drehmoment aus dem Stand bringt Hochspannung in allen faherischen Lebeslagen.
„it’s a Long Way to the Top (If You Wanna – Rock ’n‘ Roll) sang AC/DC-Frontmann Bon Scott 1975 im ersten Track des bahnbechenden Hard-Rock-Albums ,,High Voltage“. Ein langer Weg zum Gipfel lag auch vor Zero, als die Nordkaliforner 2006 im Surfer-Mekka Santa Cruz mit der Produktion von Elektro-Motorrädern in eine ungewisse Zukunft starteten. Heute ist Zero Motorcycles Weltmarktführer bei strombetriebenen Motorrädern. Von der wieselflinken Supermoto FXS bis hin zum agilen und bärenstarken Power-Naked Bike SR/F werden alle Modelle in Santa Cruz entwickelt und montiert. Mit der brandneuen SR/F könnte Zero in neue Dimensionen vorstossen.
Auf den ersten flüchtigen Blick wirkt sie wie ein typischer, sogenannter Streetfighter: Die Zero SR/F ähnelt im Design und ihren Proportionen konventionellen Naked Bikes wie KTM Super Duke oder Ducati Monster 1200. Doch sie ist ein rein elektrisches Motorrad, das hyperagilen und völlig neuartigen Fahrspass bringt. Der Modellname SR/F ist vom Begriff ,,Streetfighter“ abgeleitet: Sportliche und unverkleidete Motorräder, die auf schnellen Landstrassen, aber auch schon in der in der ersten Kurve nach der Garagenausfahrt höchsten Fahrspass bringen. Sie sind wendig und taugen auch zur urbanen Kurvenjagt.
Am ungewöhnlichsten ist an der flüsterleisen Kalifornierin ihre gnadenlos fuliminante Beschleunigung: Der Elektroantrieb setzt wuchtiger ein als jeder noch so starke Benzinmotor Denn: Urgewaltige 190 Nm Drehmoment katapultieren das nur 220 Kilo schwere Motorrad pfeilschnell nach vorne. ,,Z-Force 75-10″ heisst der neue, passiv luftgekühlte Wechselstrommotor mit internem Permanentmagneten. Die maximale Leistung des SR/F-Elektromotors von 82 kW/110 PS bei 5.000/min klingt relativ bescheiden im Vergleich zur direkten Konkurrenz von KTM (130 kW/177 PS) oder Ducati (108 kW/147 PS). Aber: 190 Nm Drehmoment, die der Wechselstromer locker aus den Magneten schüttelt, übertreffen die Schubkraft der Konkurrenz deutlich (KTM: 141 Nm, Ducati: 126 NM). Und vor allem: Während die Zero vom ersten minimalen Zucken am ,,Gasgriff“ an volles Drehmoment entwickelt, muss sich dieses bei der konventionellen Konkurrenz erst allmählich aufbauen.
Nur hochwertige Teile verbaut
Feinste Elektronik hält diese vermeintlich unkontrollierbare Wucht des Antriebs im Zaum, allen voran Boschs Motorrad-Stabilitätskontrolle (MSC) inklusive Kurven-ABS. Verantwortlich bei Zero für das gekonnte und beherrschbare Zusammenspiel der Technik ist mit Abe Askenazi kein Unbekannter, denn er brachte einst die hyperagilen Benzin-Bikes der ehemaligen Harley-Davidson-Tochter Buell auf Trab. Bei der Entwicklung der SR/F achtete Askenazi offenbar besonders darauf, dass nur hochwertige Komponenten zum Einsatz kommen. Das trifft auf praktiisch alle wertig wirkenden und gut verarbeiteten Bauteile zu und reicht bis hin zur so wichtigen Serienbereifung Pirelli Diablo Rosso lll. Weiteres Beispiel: Federung/Dämpfung vorne und hinten stammen vom Spezialisten Showa und sind voll einstellbar. Die sonst oft spassbremsenden Controller standen der Verwendung kostspieliger Teile offenbar nicht im Weg bei Zero. Über Bluetooth ist eine Zero-App mit dem Motorrrad verbunden. Sie zeigt den schnellsten Weg zur nächstgelegenen Ladestation und deren Detailinfos ebenso an wie wichtige Fahrzeugdaten. Sowohl über die App als auch am grossen TFT-Display kann der Elektro-Biker zwischen den vier Fahrmodi ,,Street“, ,,Sport“, ,,Eco“ und ,,Rain“ wählen. Falls das nicht genügt: Zusätzlich erlauben zehn individuelle Modi die persönliche Konfiguration von Eigenschaften wie Leistungsentfaltung oder Rekuperation. Auf eine Verbindung des Elektro-Bikes mit der Navigation des Smartphones müssen Zero-Fahrer leider noch etwas warten.
Dies wird samt Darstellung der Navi-Infos am Display aber schon bald nachgereicht, versprechen die Elektro-Pioniere. Die 14,4 kWh starken Litihum-Ionen-Akkus ermöglichen weit mehr Reichweite als eingefleischte Petrolheads jemals vermuten würden: In der Stadt kommt die SR/F offiziell 259 Kilometer weit. Die kombinierte Reichweite beträgt nominell 157 Kilometer. Unser praxisgerechter Testverbrauch (Mix aus Stadt, Landstrasse und Autobahn, grösstenteils im Solobetrieb, streckenweise zu zweit) ergab 143 Kilometer Reichweite. Für die Motorradgattung der Streetfighter ist dieser eingeschränkte Radius kein allzu grosses Problem, denn mit ihnen geht man eher auf Commuting-Strecken innerhalb der Stadt oder höchstens auf kurze Spritztouren übers Land. Eine besonders gute Figur macht die Zero SR/F beim Aufladen: Vor allem das Premium-Modell (22.690 Euro) mit seinem 6-kW Schnellladesystem ist im Idealfall in einer Stunde von 0 auf 95 % aufgeladen. Bis zur vollständigen Aufladung würde es lediglich weitere 30 Minuten dauern. Und selbst der schlimmste Fall klingt nicht wirklich schlimm: Mit der Standard-Zero SR/F (20.490 Euro) und dem 3-kW-Ladesystem vergehen an einer üblichen Haushaltssteckdose viereinhalb Stunden von 0 auf 100 % Akku-Ladung.
In Fahrt fällt an der SR/F vor allem schnell auf: Den Sound eines Verbrenner-Motors vermisst man wirklich. Zwar registriert man eine ungewohnte Stille, jedoch stellt sich schnell heraus: Gerade deshalb empfindet man die wuchtige Beschleunigung des Elektro-Motorrads umso intensiver und geniesst sie umso mehr. Neben ihrer extremen Spurtstärke, die dem Fahrer förmlich die Arme langzieht, giert die SR/F regelrecht nach Kurven. Somit hat Zero es hinbekommen, dass sich das Elektro-Bike anfühlt wie ein klassischer Streetfighter. Dazu gehört auch, dass man sich dank ihrer schmalen Silhouette ungehindert durch den Stadt-Stau schlängeln kann. Auch die Ergonomie ist klassentypisch: Ähnlich wie auf KTM Super Duke oder Ducati Monster sitzt der Fahrer mehr im als auf dem Bike. Und über den relativen breiten Lenker hat man das Geschoss stets im Griff.
Fazit
Bleibt schliesslich die Pteisfrage, eventuell den Umstieg eines klasssischen Bikers aufs Elektro-Motorrad verhindern könnte: Zunächst wirken die mindestens 20.490 Euro sehr hoch, die Zero für die SR/F aufruft. Doch die extreme Performance des implusiven E-Bikes erlaubt nur Vergleiche mit absoluten Top-Rivalinnen.
In dieser Relation sehen die Zero-Preise schon anders aus, denn die 16.595 Euro teure KTM 1290 Super Duke R ist eben auch kein Schnäppchen. Und für die Ducati Monster 1200 R werden sogar 18.430 Euro fällig – wie gesagt: beide mit erheblich weniger Fahrspass-relevanter Schubkraft als die Zero SR/F. Bisherige Zero-Modelle wie die DSR sind zwar ähnlich stark, aber vom gesamten Erscheinungsbild her machten sie eher eiben exotischen Eindruck. Das hat mit der euen SR/F endgültig ein Ende. ,,It’s a long way to the top“, wie 1975 AC/DC wusste. Aber: Mit seinem jüngsten Modell könnte Zero 2019 ein entscheidender Schritt in Richtung Gipfel gelungen sein.
Technik der Zero SR/F Standard
Eelektromotor
Wechselstrommotor mit internen Permanentmagneten
Leistung
82kW/110 PS/5.000/min
Drehmoment
190 Nm ab 1/min
Spitze
200 km/h (elektronisch abgeregelt)
Normverbrauch
Stadt vergleichbar mit 0,55 l/100 km
Schnellstrasse vergleichhbar mit 1,08 l/100 km
Radstand
1,45 Meter
Sitzhöhe
78,7 cm (m. Zubehör auch 77 oder 81 cm)
Leergewicht
220 kg (226)
Zuladung
234 kg (228)
Akkus
Lithium-Ionen,14,4 kWh
Ladetyp
3,0 kW (6,0) integriert
Ladezeiten
4,5 h 100 % voll, 4 h 95 % (2,5 h bzw. 2 h) mit Schnellladeoptionen 1,8 bzw 1,3 h (1,5 bzw. 1,0 h)
Preis
20.490 Euro (22.690)
Quelle: arrive
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