Rock and Rollin‘ Electric
Wer mehr für die Umwelt tun möchte, fährt weniger Auto – sondern Roller, Elektro-Roller. arrive-Art-Director Rüdiger Quass von Deyen bekam einen zum Geburtstag und analysiert für uns vor- und Nachteile.
Am 16. Juli war es soweit: Da gehörte ein für mich attraktiv gestylter E-Roller zu meinem Fuhpark. Gut. Wider erwarten fand die Auslieferung deutlich später statt, als die Webseite bei der Bestellung versprochen hatte, aber am Ende überwog die Vorfreude auf das erhoffte Fahrerlebnis. Und ausserdem: Autofahrer warten warten meist noch länger. Da stand sie nun. Die ,,Romex“ von Trinity electric vehichels, die sich von vorn betrachtet schon auf den ersten Blick als Retroroller zu erkennen gibt. Die harmonisch in die betont nostalgische Gestaltungslinie integrierte Frontpartie sorgt für eine individuelle Optik. Wer, wie ich, Stadtfahrten an den Arbeitsplatz zum Freizeit-Vergnügen umwidmen möchte, wird sich besonders über die Doppelpack-Gepäckträger an Front und Heck freuen. Der Platz unter der Sitzbank ist nicht dem Helm, sondern dem Akku vornehalten. Das kleine Fach an der Seite allerdings reicht gerade mal für den Hausschlüssel.
Erste allgemeine Verunsicherung
Zum Thema Vergnügen: Der Test bei der Auslieferung wurde problemlos bestanden. Ales dreht sich, alles bewegt sich. Nach ordnungsgemässer Anmeldung und erweiterte Vorfreude auf die erste Ausfahrt folgte allerdings auch die erste Ernüchterung: Keinen Meter bewegte sich meine neue Errungenschaft und ich fragte mich, ob es wirklich war, einen China-Roller zu ordern (was auch die relativ lange Lieferzeit erklärte, denn das gute Stück kam auf dem Seeweg).
Aber es war nichts Schlimmes. Ein kleiner Schalter war defekt, und provisorisch leicht zu überbrücken, war nach Rücksprache mit dem Händler als Urasche ausgemacht. Auf eine Nachlieferung des identifizierten defekten Teils warte ich allerdings heute noch. Kleinigkeit, ich bin grosszügig und freue mich, wie ein Schneeekönig endlich elektrisch über Kölns Strassen zu rollen. Kölns Strassen sind immer eine Sache für sich und mit meiner Romex versuche ich bald, die Schlaglöcher zu umfahren. Egebnis und Erfahrung daraus: Besser, man fährt standig einen 17er-Schlüssel bei sich, denn durch die innerstädtischen Vibrationen des defekten Bodenbelags lösen sich schnell mal ein paar Schrauben, wie zum Beispiel die der Befestigung der kleinen Frontscheibe oder die eine oder andere Rückspiegelhalterung, das Prinzip ,,Unterlegsscheibe“ ist noch nicht überall verstanden worden.
Schluss jetzt mit den Vouruteilen und Konzentration auf das Fahvergnügen. Die erste Propefahrt ist… anders. Und wie: Lautlos und mit Schwung flitzt der E-Roller durch den Stadtverkehr. Der Wind weht um die Nase, es macht einfach Laune. Die ersten Kilometer bestätigen meine Vorfreude. Was die Romex am besten kann? Beschleunigen. Irgenwie sanft aber doch dynamisch zieht die Romex nach einem Dreh am rechten Handgriff wie ein Katapult vom Fleck. Das ist mal eine tolle drehmomemtstarke Elektrobeschleunigung. Der Retro-Roller marschiert richtig nach vorn, hat aber auch gut zupackende Bremsen an Bord. Fröhlich stürmisch geht es von dannen, Steigungen hoch, schräg durch die Kurven, die Geraden entlang. In wenigen Sekunden spurte ich auf Tempo 30, 40…fast 50. Schneller dürfen die E-Roller der 50er-Klasse nicht fahren. Dabei ist meiner gut gefedert, auch wenn er auf den oben bereits erwähnten Kölner Strassen manchmal klappert wie eine alte Waschmaschine beim Schleudern. Um das Rangieren zu erleichtern, gibt es einen Schalter für gedrosselte Geschwindigkeit, sowohl vor- als auch rüchwärts. Klappt ausgezeichnet. Ich habe viel Bein- und Kniefreiheit. Die für meine Grösse angenehme Sitzhöhe gibt einem ein gutes Gefühl. Das Display wirkt auch retro, um nicht zu sagen ein wenig altertümlich und geizt mit Informationen.
Was bedeutet das alles? So sehr E-Roller auch Spass machen, eigentlich sind sie viel zu teuer. Bei 1.300 Euro für einen anderen China-Kracher geht es los, meine Romex liegt schon bei 3.700 und eine Govecs-E-Schwalbe, das Nonplusultra unter den E-Rollern (dann ohne Geschwindigkeitsbegrenzung) fängt bei 5.400 Euro an. Da braucht es schon eine ordentliche Portion Idealismus. Irgendwann nervt auch die umständliche Ladeprozedur, die Reichweite ist auch (noch) nicht so toll. Solange ich mich auf Stadtfahrten fokussiere, ist allerdings alles planbar. Dennoch denke ich, müssten Politik, Forschung und Industrie auch hier an einem Strang ziehen, damit die Roller als echte Alternative wenigstens den urbanen Raum erobern. Gerade in Städten, mit hoher Umweltbelastung sind die E-Roller eine gute Alternative zu Bus, Bahn und vor allem zum Verbrenner. Denn im mittlerweile beschaulichen Stadttempo fährt doch längst das gute Gewissen mit. Ich habe jedenfalls Spass, produziere keine Abgase und keinen Lärm.
Technische Daten
Übersicht E-Roller
Niu Nis
Bosch-Elektromotor: 2400 W
Sitzhöhe: 410 mm
Preis: 2.699 Euro
Reichweite / Werksangabe: 80 km
Govecs E-Schwalbe
Bosch-Elektromotor 4000 W
Sitzhöhe: 500 mm
Preis: 5.390 Euro
Reichweite / Werksangabe: 125 km
Unu Standard
Bosch-Elektromotor 2000 W
Sitzhöhe: 420 mm
Preis: 2.299 Euro
Reichweite / Werksangabe: 100 km
Rolectro Eco-City V.2Plus
Elektromotor: 500 W
Sitzhöhe: 430 mm
Preis: 1.279 Euro
Reichweite / Werksangabe: 45 km
Kumpan 1954 Ri
Elektromotor: 4.000 W
Sitzhöhe: 837 mm
Preis: ab 4.999 Euro
Reichweite / Werksangabe: 186 km
Romex
Elektromotor: 3000
Sitzhöhe: 750 mm
Preis: ab 3.699 Euro
Reichweite / Werksangabe: 85 km
Quelle: arrive
Das Automagazin für die Mobilität der Zukunft
Hinweis
Die Angaben über die E-Roller sind auf Deutschland bezogen und Interessenten in der Schweiz sollten sich Informieren welche E-Roller-Marken in der Schweiz erhältlich sind.