Stagnation statt Euphorie bei den Stromern
Der gewünschte Elektro-Boom kommt nicht so richtig in Schwung
Während sich Hersteller wie Nissan oder BMW schon Gedanken machen, wie man die teuren Batterien in den Elektroautos einem zweiten Leben zuführen könnte, entscheiden sich die Kunden weltweit noch immer zwischen Diesel, Benzinmotor, und anderen Alternativen wie Erdgas und Autogas. E-Autos spielen in den aktuellen Zulassungen und im Bestand der Welt nur eine marginale Rolle. Rund eine Million strombetriebene Pkw in fünf Jahren weltweit stehen gut 300 Millionen Neuwagen gegenüber. In Deutschland waren es im vergangenen Jahr bis Ende Oktober knapp 10.000, die auf nicht ganz drei Millonen Neuwagen trafen. Eigentlich war schon nach der IAA 2013, als Volkswagen den elektrischen Golf vorstellte und der BMW i3 auf den Markt kam, damit gerechnet worden, dass die Verkäufe steigen würden.
Tatsächlich stagniert der Absatz oder er geht, bereinigt von Sondereffekten sogar zurück, wie das CAR-Center Automotive Research der Universität Duisburg-Essen in einer Studie herausfand. Demnach wurden in ersten zehn Monaten in 2015 81 E-Fahrzeuge weniger auf die Strassen in Deutschland gebracht als vor Jahresfrist. CAR rechnet aus der offiziellen Statistik 2.231 Kia Soul EV heraus, die zwar hier vom Handel zugelassen, dann aber nach Norwegen verkauft wurde.
Die Zulassungen in der EU schönen die Statistik zugunsten der E-Mobile und sie senken den Flotten-CO2-Ausstossdes Hyundai-Kia-Konzern in der EU.
Bei einer direkten Zulassung im Elektro-Musterland Norwegen, das nicht der EU angehört, hätte der Konzern sich die CO2-Minderung nicht anrechnen lassen können. Institutsleiter Ferdinant Dudenhöffer sieht noch einen weiteren Beschönigungseffekt. So haben VW wie auch BMW ihre Mietwagenzulassungen gegenüber dem Vorjahr erhöht. Statt neun wie 2014 haben Vermieter in den ersten zehn Monaten des Jahres 2015 119 E-Golf zugelassen, ausserdem 193 BMW statt wie im Vorjahr 1914. Schon die Tatsache, dass man die E-Auto-Neuzulassungen so kleinteilig analysieren muss, verdeutlicht das Absatzdilemma.
Dass in Norwegen E-Autos teilweise zu den Bestsellern zählen, liegt vornehmlich an den sttatlichen Rahmenbedingungen. Es gibt jede Menge positive Massnahmen pro Elektroauto (Steuerfreiheit, Benutzung der Busspuren, Parkzonen) die einhergehen mit negativen Sanktionen für herkömmliche Autos (hohe Steuern).
Diesel wird in europäischen Ländern stark subventioniert
Dudenhöffer sieht staatliche Eingriffe allerdings skeptisch. ,,Subventionen helfen – klar. Aber Subventionen alleine machen noch keinen stabilen Markt. Es braucht zusätzlich die Ladeinfrastruktur und die besseren Reichweiten und Ladezeiten und die Abschaffung der willkürlichen Diesel-Bevorzugung“. In vielen Ländern Europas wird Dieselkraftstoff indirekt subventioiniert, indem die jeweiligen Mineralölsteuer darauf niedriger ausfällt. In Deutschland liegt der Unterschied zwischen Benzin und Diesel bei 18 Cent je Liter.
In Tateinheit mit den aktuell niedrigen Kraftstoffkosten gibt es für die Autofahrer keine wirtschaftlichen Grund auf E-Mobile umzusteigen, die nicht nur sehr viel teurer in der Anschaffung sind, sondern auch noch handfeste Alltagsnachteile mitbringen. ,,Das Problem ist nicht ausschliesslich der Preis. Reichweite, Ladezeit und Ladeinfrastruktur sind noch zu schlecht. Die Autobauer müssen auch am Kundennutzen der Elektroautos arbeiten“. Der ist noch zu gering, urteilt Dudenhöffer.
Die als Zwischenschritt zur elektrischen Mobilität von der Industrie inzwischen angebotenen Plug-in-Hybride, die immerhin mit geringer elektrischer Reichweite einen grossen Teil ihres täglichen Einsatzes per Strom bewältigen können, findet der Experte zu teuer: ,,Kein Mensch kauft sich wegen 30 oder 50 Kilometer elektrisch fahren ein 15.000 Euro teures Auto“. Die Verkaufszahlen dieser Hybride liegen auf ähnlich schwachen Niveau wie die rein batterieelektrischen Modelle. Dass Hybridtrensetter Toyota zögert, zu entscheiden ob es vom neuen Prius wieder ein Plug-in-Hybriden geben wird, unterstreicht auch die die Kritik.
Fast jeder Konzern will Plug-in-Hybride herausbringen
Trotzdem müht sich aktuell fast jeder Konzern, Plug-in-Hybride auf den Markt zu bringen. Mit theoretischen Verbrauchswerten unter zwei Litern würden sie natürlich helfen, die geforderten künftigen CO2-Werte einzuhalten. ,,Derzeit kann die CO2-Bilanz auch ohne Elektroauto erfüllt werden. Das Problem beginnt im Jahr 2022, wenn die CO2-Grenzwerte im Flottenverbrauch auf 95 Gramm CO2 gesenkt werden“, so das CAR-Institut. 95 Gramm CO2, das heisst ein Normverbrauch von 4,1 Litern Benzin oder 3,6 Diesel im Schnitt über alle Autos einer Marke, die neu zugelassen werden. Ohne elektrische Unterstützung sind solche Zahlen nicht zu realisieren.
Die könnte es ab 2018 aber geben. Dann nämlich kommt die nächste Generation von E-Autos auf den Markt, mit besseren Batterien und kürzeren Ladezeiten. Auf der IIA 2015 haben Porsche und Audi Konzepte gezeigt, die 500 Kilometer Reichweite mit sehr kurzen Ladezeiten – kaum länger als ein normaler Tankvorgang – darstellen. Beide zeigen was geht und zielen dabei auch auf Tesla. Die Kalifornier sind bis dato die einzigen, deren Modelle hohe Reichweiten erzielen und schnell fahren können. Dass sich auch dort beides zusammen ausschliesst, kommt in der Öffentlichkeit genauso wenig an, wie der Umstand, dass die hohe Reichweite nur durch grosse und teure Batterien möglich sind. Für die elektrische Massenmotorisierung taugen Autos, für die schsstellige Beträge aufgreufen werden, eher nicht.
Bis 2018 ist noch Zeit, in die Ladeinfrastruktur zu investieren, mit kabellosem Induktionsladen auf einem Stromnetz, dass 400 Volt und mehr bereitstellt. Ohne das dürfte schnelles Laden illusorisch bleiben. Bis dahin ist davon auszugehen, dass die Absatzzahlen von E-Autos, nicht nur in Deutschland, bestenfalls stagnieren. Daran werden auch die Facelifts von Nissan Leaf und BMW i3 nichts ändern, die jeweils wahlweise etwas mehr Reichweite bieten. Immerhin: die alten Batterien der ersten Generation können weiterverwendet werden. Wenn sie für ein Auto nicht mehr reichen, sind sie noch immer gute Puffer, um Beispiel den Strom, den die Solaranlage eines normalen Hauses produziert, zu speichern.